Die Tücken des Universitätsstudiums

Im Moment ist la session d’examen an der Universität Genf. Ich lese griechische Texte und römische Geschichte. Es bereitet mich zudem vor für meine Arbeit im Sommer, an einem Buch zu schreiben.

Im Video “Studying at University: The Limits of the System are the Limits of its Particulars”, dass ich mit möglichst natürlicher Aussprache nach Mitternacht gedreht habe, spreche ich von den Schranken, welche mich an der Uni davon abhalten Originalrecherche und überhaupt kontroverse Recherche von zentraler Wichtigkeit auszuführen.

1. In erster Linie sind das die kulturellen Vorurteile der Professoren (z.B. wenn sie aus Frankreich kommen, gegenüber Napoleon usw.); 2. ihre mangelnde Anregung und übermässige Sturheit, sei es auch nur um Recherchefreiheit zu erlauben, d. h. es wird nicht erlaubt die Zeit zu nutzen, um Bücher zu lesen oder einen unangetasteten Aspekt zu beleuchten. Ich mache keine Witze: Weder in der Politik noch in Geschichte wird man unterstützt Bücher zu lesen. 3. Drittens wird man an Examen davon abgehalten, eine andere Perspektive niederzuschreiben (sei sie noch so faktisch) als die des Kurses bzw. der Lehrperson, d.h. man bekommt keinerlei Unterstützung, anderes zu recherchieren. Zusätzlich schockierend war für mich, dass wir uns weder in Archivrecherche begeben, noch geschichtsmethodologische Bücher lesen mussten. Es gab ebenfalls kein Kriterium für die besten Geschichtsbücher oder Artikel, die als Exemplare für historische Recherche hochgehalten und im Kurs gelesen würden. Ziel war es nämlich nicht solche Werke schreiben zu können, Exzellenz anzustreben und (für die Professoren) eine glorreiche Zukunft für das Fachgebiet zu sichern.

Zudem sind die Partikularen - die Professoren und ihre Gehilfen - durch die Regeln der Universität eingeschränkt - des Systems, d. i. wenn sie gerade Niemanden selber am einschränken sind.

Deshalb kommt es dazu, dass ich mehr Fortschritt ausserhalb – in meiner Freizeit - als innerhalb der Kurse mache. Ein untragbarer Kompromiss.

Ich bearbeite die selben Themen wie die anderen, z.B. im Seminar über "die Karibik vom 16. bis zum 18. Jh." oder "die russische Revolution und die Entstehung der Soviet Union von 1917-1924". Das sind zwei der interessantesten Seminarthemen, die ich gefunden habe, mit dem Ziel mir eine politische Bildung aufzuerlegen. Nur lernen wir darin Randständiges und nicht das Zentrale und Wichtige. Die Frage, die ich nicht in eine Arbeit verwandeln durfte, war: “Wie operiert der Staat des British Empires oder des Französischen Reichs in der Karibik?” Etwas so selbstverständlich wichtiges kam nicht durch die Schranken dieser Institution hindurch, weil die Professorin es nicht akzeptiert hat, dass ich ein eigenes Projekt vorschlage, während andere ein von ihr vorgegebenes Projekt machen, mit vorgegebenen Quellen und vorselektierter Sekundarliteratur, usw.

Anderes Beispiel: In den ersten zwei Wochen (als ich von ökonomischer Geschichte und Politik zu Altgriechisch und Geschichte gewechselt habe) habe ich den Namen “Machiavelli” und den seines Buches Discorsi sopra la prima deca di Tito Livio 5 mal zu hören bekommen, in 5 verschiedenen Disziplinen, von verschiedenen Professoren. Haben wir auch nur ein einziges Mal dieses Buch zu lesen begonnen? Nein. Wurde es überhaupt wieder erwähnt? Nein. Ich bezweifle, dass die Professoren es selber jemals vollständig gelesen haben oder analysiert (wofür ich meine Gründe habe). Kein anderes Buch wurde so oft erwähnt und noch von verschiedenen Lehrkräften! Aber es wurde nicht zu einem Standardwerk errichtet, das alle lesen sollten, im Gegenteil: Weil ich es (in meiner Freizeit, ausserhalb der wöchentlichen Arbeiten) lese, weiss ich, dass ich meine Funde nicht hätte im Examen präsentieren können, da sie das im Kurs Gesagte modifizieren oder dem sogar widersprächen. Und es ist nicht zu überschätzen, was für ein wichtiger Quellentext dies ist, d.i. es gibt einen Grund weshalb man ihn mehrmals erwähnt hat, doch als unkoordinierte Glieder eines azephalen Körpers kennen die Professoren diesen nicht einmal selber.

Meines Lebens hätte ich es mir nicht vor der Uni erträumen lassen eine derart funktionsunfähige "höhere Bildung" auffinden zu müssen. Von Grund auf braucht es ein neues Reglement und neue Gesetze: Eine Totalrevision. Aber die Universität hat keine Demokratie und die sokratische Methode ist tot.